Liberalismus als Eckpfeiler der sozialen Marktwirtschaft

Der Liberalismus läßt sich zunächst begrifflich zwischen politischem und wirtschaftlichem Liberalismus unterscheiden und zusätzlich im wirtschaftlichen Bereich in Ordo- und Neoliberalismus.

Der politische Liberalismus ist bei beiden Formen grundsätzlich gleich. Ziel ist der Verfassungsstaat und Rechtsstaat (Grundsatz der Gewaltentrennung) und die Regierungsform der parlamentarischen Demokratie, in der die Bürger im Rahmen eines allgemeinen, gleichen, geheimen und freien Wahlrechts ein Parlament wählen, das in ihrer Vertretung politische Entscheidungen fällt. Gesellschaftlich gilt das Prinzip der Toleranz und der Chancengleichheit.

 

I.   Neoliberalismus

Das Hauptziel des Neoliberalismus ist das Streben nach einer Liberalisierung des Kapitalmarktes, weshalb diese Form des Liberalismus in diesem Zusammenhang auch oft als neoliberale Reform bezeichnet wird.

Genau genommen muss man den Neoliberalismus nicht als Gesellschaftsordnung verstehen, sondern als Wirtschaftsordnung, was besonders durch die Forderungen deutlich wird.

Zunächst einmal soll die innerstaatliche Stabilität durch:

-          Stabile Preise,
-         
Stabile Währung und
-          Einen ausgeglichenen Staatshaushalt

gewährleistet sein, wobei die drei genannten Punkte sich bereits gegenseitig beeinflussen bzw. bedingen.

Darüber hinaus soll dafür gesorgt sein, dass auf zwischenstaatlicher Ebene keine Regulierung , also eine Deregulierung des Handels und der Finanzen besteht, was z.B. durch die Abschaffung von Grenzen, Zollauflagen, Freihandelszonen und Handelsabkommen erreicht werden soll.

Außerdem existiert zum einen das Ziel der Preisregulierung, die allein durch den Markt (Angebot und Nachfrage) bestimmt werden soll, und zum anderen die Privatisierung von staatlichen Einrichtungen, die häufig auch Monopole darstellen.

Des weiteren sollen weltweit ständiger, weltumspannender Handel in Echtzeit, laufende Neubewertung der Preise und die Errichtung von Terminmärkten (für Finanzderivate) entstehen.

 

Nach dem Motto „Privat kommt vor dem Staat“ vertritt der Neoliberalismus die Meinung, dass die Aufgaben des Staates eingeschränkt bzw. ganz aufgegeben werden sollten. Jede Staatstätigkeit, die über ein Mindestmaß hinausgeht, ist in der Theorie des Neoliberalismus überzogen. Es soll gewährleistet sein, dass Chancengleichheit, Schutz des Menschen (keine Diskriminierung) und die bereits erwähnten Voraussetzungen für einen freien Markt gegeben sind. Das oberste Ziel ist eine möglichst weitgehende Selbststeuerung des Markts, der nach der Theorie automatisch zu optimalen Verhältnissen führen soll.

Die Neoliberalen stellen jedoch nicht in Frage, ob der Wettbewerb im staatlichen Rahmen stattfinden soll, was klar macht, dass der Neoliberalismus in der ursprünglichen Form auch die soziale Marktwirtschaft bedingt.

Dennoch spielen soziale Maßnahmen im Neoliberalismus keine Rolle, vielmehr werden sie als Diskriminierung derer verstanden, die nicht davon profitieren. Die einzigen Maßnahmen für die der Staat zu sorgen hat ist die Schaffung und Erhaltung von absoluter Chancengleichheit auf der Basis einer guten Bildung und Ausbildung. Bei freien Märkten soll dadurch automatisch soziale Gerechtigkeit entstehen. Im Gegensatz zu Sozialisten vertrauen Neoliberale nicht auf die Allgemeinheit, wie es bei der sozialen Marktwirtschaft der Fall ist, sondern versuchen selbst etwas zum allgemeinen Wohlstand beizutragen. Die Selbstverantwortung jedes einzelnen für sich und sein Leben ist ein Grundsatz des Neoliberalismus, wodurch der Staat aus der Verantwortung für den Einzelnen entbunden wird.

Neoliberalismus als Eckpfeiler der sozialen Marktwirtschaft?

In Bezug auf die soziale Marktwirtschaft, gibt der Neoliberalismus, wie man am vorigen Text erkennen kann, vordergründig eine wirtschaftliche Stütze. Da sich der Staat im Neoliberalismus so weit es nur geht aus der Sozialpolitik raushalten soll und die Hauptaufgabe in der Erschaffung und Beibehaltung eines freien Marktes besteht, muß man den Eckpfeiler nicht in der sozialen Komponente, sondern der wirtschaftlichen und politischen suchen.

So verfolgt die soziale Marktwirtschaft in gleichem Maß wie der Neoliberalismus stabile Preise, eine stabile Währung und einen ausgeglichenen Staatshaushalt. Innerhalb der EU wurde außerdem die Abschaffung von Grenzen und Zollauflagen durchgesetzt, was auch zu einer Deregulierung des Handels und der Finanzen führte. Die Bundesrepublik Deutschland hat ebenfalls staatliche Einrichtungen privatisiert, wie z.B. Lufthansa, Telekom und Post, oder ist noch dabei zu privatisieren, wie z.B. die Bahn. Existierende Monopolo, wie die Zustellung von Briefen durch die Post, sollen  aufgehoben werden.

Auch weiterführende Maßnahmen wie weltumspannender Handel in Echtzeit, laufende Neubewertung der Preise und vorhandene Terminmärkte sind in der sozialen Marktwirtschaft kein Fremdwort.

Wenn man also davon ausgeht, dass der Neoliberalismus eine Wirtschaftsordnung ist, trägt er die soziale Marktwirtschaft als wirtschaftlicher Eckpfeiler mit starken Stützen.

Der politische Liberalismus ist, wie es bereits zu Anfang des Textes steht, ein Verfechter des Verfassung- und Rechtsstaats, der parlamentarischen Demokratie und dem Prinzip der Toleranz und der Chancengleichheit. Diese politischen Grundzüge sind ebenfalls in der sozialen Marktwirtschaft zu finden, so dass der Neoliberalismus auch als politischer Eckpfeiler dient.  

 

II.   Ordoliberalismus

Entstehung:

Ordoliberalismus bezeichnet eine nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland entwickelte Variante des Liberalismus, die dem Staat die Aufgabe zuweist, für die Aufrechterhaltung der marktwirtschaftlichen Ordnung (insbesondere den Wettbewerb) zu sorgen und wirtschaftliche Störungen durch "marktkonforme" Eingriffe zu beseitigen

 

Gründe für die Entstehung:

Der Ordoliberalismus wurde entwickelt, weil die der bis dahin verbreitete laissez-faire-Liberalismus nicht zu optimalen Ergebnissen führte, da eine Tendenz zur Monopolisierung innerhalb des Wirtschaftssystems besteht. Aufgrund der Erfahrungen aus der Nazizeit sollte ein Bollwerk gegen die Konzentration wirtschaftlicher Macht erstellt werden. Die sozialistischen Wirtschaftssysteme wurden aber bereits damals als gescheitert angesehen.

Grundlegende Inhalte des Ordoliberalen Wirtschaftssystems:

 Ein funktionsfähiges Marktpreissystem auf der Basis vollständiger Konkurrenz, wobei nicht nur destruktiv der Monopol- und Kartellbildung sowie der dirigistischen Preispolitik entgegengewirkt werden soll, sondern durch aktive ordnungspolitische Maßnahmen ein wettbewerbspolitischer Rahmen geschaffen werden soll

·        Das Primat der Währungspolitik. Die Währungspolitik soll mit Hilfe eines automatisch wirkenden Geldwertstabilisators verhindern, daß Inflation oder Deflation die Preis- und Kostenrechnung verfälschen, so daß größere Aktivitätsschwankungen wie Rezession oder Boom vermieden werden können

·        Das Prinzip des offenen Zuganges zu allen Märkten, was als Voraussetzung für den Wettbewerb gilt und die Gewerbefreiheit sowie das Verbot aller Protekionsmaßnahmen wie Zulassungssperren, Einfuhrverbote und Investitionsbeschränkungen, sowie letztere nicht vom Umweltschutz dominiert werden, einschließt

·        Privateigentum an Produktionsmitteln. Hierbei weist der Ordoliberalismus darauf hin, daß das Privateigentum je nach Marktform völlig verschiedene sozialökonomische Wirkungen haben kann. Es sei auch denkbar, daß der Staat im Besitz von Eigentum ist, jedoch muß er dazu angehalten werden, sich wettbewerbsmäßig zu verhalten und darf nicht etwa durch Subventionen bevorzugt werden

·        Prinzip der Vertragsfreiheit: Dieses Prinzip ist zur Entfaltung des Geschäftsverkehrs und somit des Wettbewerbs notwendig, wobei beachtet werden muß, daß die Vertragsfreiheit dort ihre Grenzen hat, sobald sie die Freiheit anderer Wirtschaftssubjekte beeinträchtigt

·        Nach dem Haftungsprinzip hat jedes Wirtschaftssubjekt die Folgen seiner ökonomischen Entscheidung zu tragen. Das Prinzip der Haftung bildet somit die Voraussetzung für den Leistungswettbewerb, bei dem der Weg zur Rentabilität nur über eine äquivalente Leistung führt

·        Konstanz der Wirtschaftspolitik. Durch dieses Prinzip sollen die Risiken des Wirtschaftslebens so gering wie möglich gehalten werden, um so eine Voraussetzung für langfristige Dispositionen der Wirtschaftssubjekte, zur Stärkung der Investitionsneigung und des Wachstums zu schaffen

Instrumente der Ordoliberalen Wirtschaftspolitik:

Eingriffe des Staates werden grundsätzlich abgelehnt, um aber den vollständigen Wettbewerb zu erhalten, stellt der Ordoliberalismus folgende regulierende Prinzipien auf, die als Instrumente gedeutet werden können:

Verhinderung von Monopol- und Kartellbildung und Kontrolle unauflöslicher Machtgebilde. Dieses soll durch die Erlassung eines Kartellverbotes und die Kontrolle durch ein unabhängiges Monopolaufsichtsamt erreicht werden. Die unvermeidbaren Monopole sollen wettbewerbskonform gesteuert werden.

·        Einkommenspolitik: Durch staatliche Umverteilungspolitik soll der Ungleichheit der Einkommensverteilung entgegengewirkt werden, da der Verteilungsmechanismus des Marktes nur bei marktgängigen Waren und Leistungen Leistungsgerechtigkeit, nicht jedoch in jedem Falle soziale Gerechtigkeit, garantiert. Dieses soll vor allem mit einer progressiven Einkommenssteuer erreicht werden, die aber die Investitionsneigung nicht deutlich einschränken darf.

·        Korrektur der Wirtschaftsrechnung: Diese soll nach dem Verursacherprinzip durchgeführt werden, so daß keine Verzerrungen, insbesondere im Preissytem, auftreten. Vor allem negative externe Effekte bzw. Sozialkosten stellen in diesem Zusammenhang bei ihrer Erfassung ein Problem dar, das durch staatliche Auflagen, Abgaben und auch Verbote so gut wie möglich gelöst werden muß. Bei positiven externen Effekten hingegen Subventionen sinnvoll.

·        Stabilisierungsmaßnahmen bei anormalem Verhalten des Angebots: Das Phänomen eines anormalen Verhaltens der Angebotsseite läßt sich vor allem auf dem Agrar- und dem Arbeitsmarkt feststellen. Auf dem Agrarmarkt bedeutet dies, daß trotz sinkender Preise das Mengenangebot steigt, um den preisbedingten Verlust auszugleichen. Der Staat soll hierauf mit Preis- und Mengenregulierungen reagieren. Auf dem Arbeitsmarkt ist zu beobachten, daß bei sinkenden Löhnen das Arbeitsangebot zur Aufrechterhaltung des Lebensstandards steigt. Als Stützungsmaßnahmen wird hier die Festsetzung von Mindestlöhnen als erforderlich erachtet.

 

Mirko Jansen & Markus Peterhoff